Kurvendiskussion Einführung

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chäffe
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Kurvendiskussion Einführung

Beitrag von chäffe »

Kurvendiskussion, oder was man aus einer Leistungsmessung lesen kann.

In dieser Reihe sollen ein paar Motoren anhand Ihrer Leistungsmessungen näher analysiert werden.
Es geht hier nicht darum, Fehler anderer an zu prangern, sondern es soll gezeigt werden, wie und was man
aus Leistungskurven lesen kann.
Für diese Kurvendiskussion verwende ich Leistungskurven mit aussagekräftigen Besonderheiten, deren Motorkonfiguration weitestgehend bekannt ist.
Vor ab:
Eine gute Leistungsmessung erfolgt auf einem Prüfstand, der mehrere Werte gleichzeitig ermitteln kann.
Einfache Prüfstände, bei denen ausschließlich die Radleistung innerhalb eines 10 Sekunden Messzyklus per Schleppzeiger aufgemalt werden, sind für solche Auswertungen ungeeignet.
Diese Prüfstände sind Schätzeisen. Aus den Ausdrucken geht wenig hervor. Die meisten kennen diese Aufschriebe.
Ein Schleppzeiger läuft bei beschleinigtem Motor auf dem Papier hoch. Kurz nach dem Maximalwert wird ausgekuppelt und der Zeiger schnellt unterhalb der Nullinie und ermittelt so die Verlustleistung des Antriebsstranges. Beide Werte werden addiert und ggf noch mit einem Lufttemperaturfaktor verrechnet.
Das Ergebnis soll dann die Motorleistung sein. Sicherlich ist sie dies auch näherungsweise.
Man muss jedoch wissen, dass Leistungsprüfstände für verlässliche Messungen mindesten jährlich gewartet und abgeeicht werden müssen. Zu dem sind bei solchen Prüfständen die Fehlertoleranzen selten unterhalb 10%. Das können Abweichungen in Plusrichtung wie auch in Minusrichtung sein.
Wichtig sind also Prüfstände, bei denen gleichzeitig mehrere Daten erhoben werden. Radleistung, Motorleistung, Drehmoment und Drahzahl sind die wichtigsten Kenngrößen.
Aufzeichnungen ohne Drehzahl und nur über Geschwindigkeit sind sehr fehlerbehaftet und schlechter geeignet.
So viel zum Prüfstand.

Nun also zu den Kurven.
Gute gleichmäßige Kurvenverläufe bieten wenig Analysemöglichkeiten. Also nimmt man zum Einstig lieber eine Reihe von Messungen mit signifikanten Besonderheiten.
Das ist augenscheinlicher und somit einfacher verständlich.

Der erste Motor dieser Reihe:

Hier haben wir einen sehr hochwertig gefertigten 2,4L Typ4 Motor eines geschätzten Marktbegleiters.
Die absolutwerte mit 185PS sind beachtlich. Dennoch weist dieser Motor ein paar Besonderheiten auf, die
den alltäglichen Betrieb in besonderer Weise gestalten.
Um es vorweg zu nehmen, es soll hier nicht etwas schlecht gemacht oder angeprangert werden.
Es soll in erster Linie dem Lesen von Leistungskurven dienlich sein.

Eckdaten zu diesem Motor:
Bohrung/Hub 103 x 71
Ventile 44 / 38
Nockenwelle nicht veröffentlicht
Vergaser 44IDF
Abgasanlage großer Schalldämpfer ( Topf kein Fächerkrümmer)
Der Motor ist mit hochwertigen Komponenten sehr fundiert und kundig gefertig worden und bestmöglich auf dem Leistungsprüfstand abgestimmt worden.
inhomogene Leistungsenfaltung
inhomogene Leistungsenfaltung
In dem Diagramm sind die Buchstaben A bis E eingefügt, um das Verhalten näher erörtern zu können.

Der Bereich A
Bei der Leistungsmessung wurde offensichtlich ab 1800U durchbeschleunigt. Der Bereich dadrunter ist bei dieser Art von Motoren unwillig.
Hier zeigt sich zuerst einmal eine Drehmomentdelle. Dies kommt zu stande, wenn z.B. zu gunsten einer hohen Spitzenleistung eine zu scharfe Nockenwelle und zu große Vergaserdimensionen verwendet werden.
Ab ca. 2200U ist die Durststrecke durchstanden und der Motor dreht willig hoch.

Der Bereich B
Ab ca. 3000U ist der Durchzug erst einmal beendet. Hier bildet sich ein Drehmomentplateau aus.
Das Drehmoment gehl leider sogar etwas zurück. Das ist ein eindeutiges Zeichen für eine Nockenwelle mit zu viel Steuerzeit.
Die Vergaser überfetten in diesem Bereich und können nicht besser abgestimmt werden.

Der Bereich C

Hier wird es noch deutlicher.
Bei ca. 4200U ist die Talsole der Drehmomentdelle erreicht.
Ab nun nimmt das Drehmoment wieder zu und die Leistungskurve wird steiler
Der Motor arbeitet im strömungsgünstigen Bereich.

Der Bereich D
Bei ca. 5200U wird das Maximum des Drehmomentes erreicht.
Nun nimmt die Brennraumfüllung so deutlich ab, dass die Drehmomentkurve zurück geht.
Die Leistungskurve wird sehr flach. Nur über die Drehzahl nimmt die Leistung noch zu.
Die Zylinderköpfe sind in ihrem Fließverhalten am Ende angelangt.

Der Bereich E
Der Motor hat sein Leistungsmaximum bei etwas über 6000U erreicht.
Die Brennraumfüllung reicht für mehr Leistung und höhere Drehzahlen nicht mehr aus.

Wie verhält es sich im Alltag?
Der Motor ist ab Standgas etwas ruppig, beschleunigt jedoch dann bissig los.
In dem Bereich wo die meisten Bummel-Fahrer schalten haben wir hier das Fettloch. Das ist bei ca. 3600-4400U
Erst wenn diese Durststrecke durchstanden ist, geht der Motor wieder mit gleicher Vehemenz weiter wie zwischen 2400-3000U
Nun gibt es noch einen kurzen Sprit von 4400-5200U ab hier wird es dann zäh bis zur Maximaldrehzahl von 6000U

Der Fahrer hat sich also auf diese Motorcharakteristik ein zu stellen.
Für einen bummelnden Kabriofahrer ist der Motor etwas zu ruppig.
Für reine Sporteinsätze ist das Fettloch zu ausgeprägt und den Motor im oberen Bereich zu zäh.

Optimierungsmöglichkeiten:

Wenn man mit einer reduzierten Spitzenleistung leben kann, dann ist eine zahmere Nockenwelle ein probates Mittel das Fettloch zu egalisieren.
Die Spitzenleistung würde dann jedoch je nach Auslegung der Nockenwelle um mehrere 100U zurück gehen und somit auch die Spitzenleistung reduzieren.
Wenn man die anfängliche Drehmomentdelle begradigen möchte, dann ist die oben erwähnte Reduzierung der Steuerzeit einhergehend mit einer kleineren Vergaserauslegung ein probates Mittel.
Hier ist natürlich wieder die Spitzenleistung jenseits von 5000U der größte Büsser dieser Maßnahmen. Solche mehr auf Alltagsbetrieb ausgelegten Motoren haben dann Maximalleistungen von ca. 160PS /5400U

Wenn dennoch eine Leistung in dieser Größenordnung gewünscht ist, dann empfiehlt es sich eine Kurbelwelle mit mehr Hub zu wählen.
Ein Umbau auf 2,6-2,7L also 78-80mm Hub drängt sich auf.
Hier kann dann die Steuerzeit der Nockenwelle reduziert werden und man erhält einen Motor mit ähnlichen Maximalgrößen.
Bei oben angegebenen Zylinderköpfen sind nach wie vor 185-190PS möglich.
Dies jedoch ohne das große Drehmomentloch im mittleren Drehzahlbereich.

Soll so ein Motor ausschließlich Rennsportmäßig eingesetzt werden, dann kann unter Beibehaltung der Nockenwelle das Fließverhalten der Köpfe durch größere Ventile deutlich gesteigert werden.
Bei dieser Bohrung und der gewünschten Leistung empfehlen sich z.B. 46 bis 48mm Einlassventile.
Der Ringspalt muss angepasst und bis zur Zylinderwand vergrößert werden. Hier würden die Köpfe dann besser fließen und die Leistungskurve würde dann ab 5000U nicht so träge sein.
Dies erreicht der Motor dann jedoch schon 400-500U eher und hat zu dem ein deutlich höheres Drehmoment.
Zuletzt geändert von chäffe am Sa 31. Okt 2020, 09:27, insgesamt 2-mal geändert.
Meinungsaustausch ist,
wenn man mit seiner eigenen Meinung zum Chef geht, und mit dessen Meinug zurück kommt.

gut, daß ich hier der Chäffe bin ;-)
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chäffe
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Re: Kurvendiskussion 2,2L Typ1 163PS

Beitrag von chäffe »

Typ1 Motor 2,2L Hubraum 163PS


Hier haben wir einen penibel gefertigten 2,2L Typ1 Motor mit einer ansehnlichen Spitzenleistung von 163PS
Der Konstrukteur ist sehr Detailverliebt, so dass der Motor sicherlich sehr hochwertig gebaut wurde.

Dennoch zeigt die Grafik eine sehr unschöne Delle. An einem Fehler in der Vergaser-Abstimmung kann es nicht liegen, da der Wagen einen kompletten Tag lang auf der geschätzten Bremse von Vergaserpapst VGS abgestimmt wurde. Mehr und besser ging es nicht.

Wir wollen es hier mal etwas genauer betrachten und die Besonderheiten dieses Motors erörtern.

Zuerst die Grafik mit von mir eingefügten Buchstaben.
JN22beschriftet.jpg
Bereich A
Der Motor nimmt recht gut Gas an und dreht willig hoch.

Bereich B

Hier sind wir an der vorestigen Spitze der Gasannahme angekommen.
Der Motor überfettet so stark, dass Leistung und Drehmoment zurück gehen

Bereich C
Hier ist der Tiefpunkt erreicht. Der Motor ist maximal fett. Somit ist keine saubere Verbrennung möglich
Der Motor quält sich mühevoll durchs Fettloch


Bereich D

Der Motor kommt wieder in den gesunden Bereich.
Das Drehmoment steigt und somit auch die Leistung
Es beginnt jedoch die Drehmomentkurve schon flacher zu werden.
Dies deutet auf den Anfang einer maximalen Brennraumfüllung hin.

Bereich E
Hier ist das Maximum an Drehmoment erreicht.
Mehr Brennraumfüllung geht nicht.
Die Drehmomentkurve nimmt ab.

Bereich F
Nun ist auch die Leistungskurve am Ende. Das Drehmoment bricht so stark ein, dass keine weitere Leistungssteigerung durch die Drehzahl möglich ist.

Nun zu den bekannten Motordaten:
Der Hubraum ist bekannt, so wie auch die Zylinderköpfe, Vergaser und Abgasanlage.
Die Zylinderköpfe sind aufwendig bearbeitete VW-040 mit einer Ventilbestückung von Einlass 39mm und Auslass 35,5mm Ventilen.
Die Zylinderköpfe wurden bestmöglich bearbeitet. Ringspalt so wie Einlasskanäle wurden auf das Maximum geweitet.
Leider gibt die Wandstärke am Einlasskanal keine größeren Kanäle her.
Solche Köpfe können maximal 165cfm bei 25"WS fließen. Und hier liegt schon das erste Limit.
Grundsätzlich kann man bei dieser Art von Motoren ( 4-Zylinder, 2-Ventiler, Benziner ohne Aufladung mit einem Verdichtungsverhältnis von bis zu 11,5:1)
maximal so viel DIN-PS generieren, was die Köpfe in cfm bei 25" Wassersäule fließen. ( +/- 10%)
In sofern hat der Motor sein Maximalziehl erreicht.

Nun zu der Drehmomentdelle bzw dem hoffnungslosen überfetten im mitteren Drehzahlbereich.
Dieser extrem große Einbruch kann nur eine Kombination aus mehreren unglücklichen Umständen sein.

Eine Drehmomentdelle im Bereich um 2500U sehen wir bei fast allen diesen Motoren.
Die Delle wird deutlicher, je schärfer die Nockenwellen sind.
Auch eine zu große Fächerkrümmeranlage unterstützt dieses verhalten.
In Kombination mit zu großen Vergasern erhalten wir genau diesen Verlauf.

Wir haben hier nur 39mm Einlassventile in Kombination mit großen 44er Vergasern plus einer großen Fächerkrümmeranlage und einer zu scharfen Nockenwelle.
Die Einlassventile und die Einlasskanäle sind hier das Nadelöhr.

Am Anfang wird vorsichtig Gas gegeben. Der Motor beschleinigt über die Leerlaufdüse und den Übergangsbohrungen. Nun kommt das Hauptdüsensystem hinzu. Bei ca. 2800U überfette der Motor, weil er noch nicht ausreichend gut fließt. Das ist der zu scharfen Nockenwelle geschuldet.

Wenn er durch das Fettloch durchgeruckelt ist, sind wir im Arbeitsbereich der Nockenwelle und der Motor zieht sauber hoch.
Die großen Vergaser füttern den Brennraum best möglich. Die Strömungsgeschwindigkeit steigt bis zum Maximum dessen, was Kanal und Einlassventil hergeben.
Nun wird auch schon das kleine 35,5mm Auslassventil zur Strömungsbremse. Der große Fächerkrümmer kann nicht richtig wirken, weil das Auslassventil zu klein ist.
Damit sich überhaupt eine Sogwirkung einstellt, wurde Abgasseitig ein 51mm Restriktor eingebaut.

So weit zum Istzustand.
Wenn man Spitzenleistung mit den kleinen Zylinderköpfen angestrebt hat und den Motor hauptsächlich jenseits der 3000U bewegt, dann ist alles richtig gelaufen.

Nun zu den möglichen Änderungen, wenn die Charakteristik eventuell im Alltag nicht zusagt.

Um das Fettloch weitestgehend weg zu bekommen gibt es mehrere Möglichkeiten.

1. Die Vergaser kleiner wählen. Dies bringt eine bessere Gasannahme, reduziert jedoch die Spitzenleistung
2. Nockenwelle deutlich kleiner wählen. Dadurch lassen sich fast alle Motoren humaner gestalten. Wieder kostet es Spitzenleistung
3. Abgasanlage von Fächerkrümmer auf großen Topf tauschen. Das bringt ohne Änderung der Nockenwelle relativ wenig und glättet nur ein wenig.
4. Größere Köpfe. Wenn die Leistung weiterhin über 160PS bleiben soll, dann sind größere Köpfe mit z.B. 42mm EV und 37,5mm AV das Mittel der Wahl.
Die Köpfe sollten mindestens 185cfm bei 25" WS fließen. Nun steigt auch deutlich die Motorleistung. Das Fettloch und die Drehmomentdelle werden kleiner.
Wenn der Motor nun noch eine deutlich mildere Nockenwelle bekommt, dann sind immernoch 165PS möglich, aber ohne jegliches Fettloch.
Sogar das Drehmoment würde im unteren Drehzahlbereich steigen, ohne obenherum Einbußen zu haben.

Gruß,
Rainer Orminski
Meinungsaustausch ist,
wenn man mit seiner eigenen Meinung zum Chef geht, und mit dessen Meinug zurück kommt.

gut, daß ich hier der Chäffe bin ;-)
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