Die Mär der guten Ami-Importe, oder der tolle Ungeschweißte

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chäffe
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Die Mär der guten Ami-Importe, oder der tolle Ungeschweißte

Beitrag von chäffe »

Seit mehreren Jahren werden angeblich gute, weil rostfreie, Autos aus dem sonnigen Ausland importiert. Es gibt eine ganze Import Branche die sich da tummelt. Immer wieder versuchen auch Privatleute ihr Glück und kaufen vermeintlich gute Autos in den USA oder anderen sonnenverwöhnten Ländern in der Hoffnung, ein Schnäppchen machen zu können. Einige Automarken stehen ganz oben auf der Beliebtheitsskala wie z.B. PORSCHE.
In den letzten Jahren ist der VW-PORSCHE-914 bei Liebhabern fast schon preislich explodiert.
Vom ungeliebten Mauerblümchen hat er sich zum Sammlerobjekt mit hohem Preis, aber auch hohem Spaßfaktor gemausert.
In dieser Geschichte wollen wir einmal so einen wirklich typischen Amiimport darstellen.
Eines vorweg, es gibt nicht nur „gute“ weil „rostverschonte“ Autos aus Amiland. Der überwiegende Anteil der importierten Autos ist alles andere als Rostfrei oder ungeschweißt. Auch im Sonnenland gibt es Regen, Rost, Gammel und Defekte, so wie viiiiel Pfusch und meist wenig Pflege.
Zurück zu unserem Beispiel.
Es ist ein:
VW-Porsche 914 von 1972 in gelb. Er hat einen 1,8L-Motor mit D-Jetronik Einspritzung, so wie eine braune Innenausstattung. Der Wagen steht auf Stahlfelgen mit Radkappen.
Das Auto wurde vor drei Jahren importiert und sollte rostfrei sein. Der Lack wurde in Amiland einmal erneuert und somit steht er optisch erst einmal von weitem gut dar.
Der Käufer in Deutschland wollte schnelles Geld machen und hat den vermeintlich tollen Wagen sogleich beim Maikäfertreffen offeriert. Das Interesse war groß, leider aber auch die Mängelliste, so dass sich der Wagen so nicht an den Mann bringen ließ. Von weitem betrachtet sah der Wagen gut aus, hatte jedoch bei näherer Betrachtung eine Menge Problemchen, welche ihn unattraktiv werden ließen.
Der Wagen hatte noch keinen deutschen TÜV und keine deutsche Zulassung. Also fand sich kein potenter Käufer. Das sollte sich nun ändern. Zuerst einmal musste der Wagen ans laufen gebracht werden, denn der Motor sprang nicht an. Es wurde ein alter im Ruhestand befindlicher Spezi damit beauftragt. Er fand einen ganzen Sack voller Defekte und Basteleien, die es dem Motor schwer bis unmöglich machten zu laufen. Es wurden also nach und nach Teile getauscht, Neuteile montiert und verbauter Murks gerichtet.
Alles nur im Bereich des Motors mit seiner Einspritzung. Ein neuer Anlasser, neue Batterie, einige neue Kabel, Benzinleitung, Verteiler, Stecker usw brachten dann den ersehnten Erfolg. Der Motor sprang an und lief einigermaßen gut. Fahren war nun bedingt möglich. Bedingt deswegen, weil die Bremsanlage kaum Funktion zeigte. Die Bremssättel waren teilweise fest gerostet oder schwergängig. Also wurden nun die Bremssättel so wie Bremsschläuche erneuert. So wurde der erste TÜV-Anlauf gewagt. Dem Prüfer gefielen zu Recht jedoch einige Dinge noch nicht, so dass nachgebessert werden musste. Die Lichtanlage wurde umgestrickt. Leider weder fachgerecht, noch funktionstüchtig. Ein erneuter TÜV-Anlauf war wieder erfolglos. U.a. rastete die Lenkradsperre bei gestecktem Zündschlüssel ein und blockierte so die Lenkung. Das Lenkradschloss war also defekt und sollte erneuert werden. Hiermit und mit weiteren Reparaturen wurde nun eine Werkstatt beauftragt. Die Werkstatt kannte sich jedoch nicht besonders gut mit solchen Fahrzeugen aus und so stand der Wagen wieder gut ein halbes Jahr auf dem Werkstatthof. Mehrere besorgte Teile waren unpassend und weitere TÜV-Termine erfolglos. Die gewünschte H-Abnahme war aus mehreren Gründen aussichtslos, was der Eigentümer jedoch nicht so Recht einsehen wollte. So kam der Wagen erneut zu dem vor längerer Zeit schon einmal beauftragtem Spezi. Der Mann ist gut, aber auch schon 80 Jahre alt und nicht unbedingt immer begeistert, wenn solche Großbaustellen auf den Hof rollen. In loser Folge hatte ich von dem Wagen und den misslungenen TÜV-Versuchen immer mal wieder Wind bekommen, so also auch zu dem aktuellen Stand. Kurzer Hand habe ich mir den Wagen mal etwas näher angesehen.
Die Innenausstattung ist eine Katastrophe. Die Sitze sind aufgerissen, die hintere Verkleidung ist eingerissen, der Teppich ist völlig zerpflückt. Der Innenspiegel wurde unfachgerecht mit irgend einem Flüssigkleber angeklebt, wobei der Klebstoff mit einer langen Laufspur die Frontscheibe herunter läuft. Kabel hängen unter dem Armaturenbrett hervor. Alles ist unsauber, verkratzt oder beschädigt. Das Armaturenbrett hat einen billigen Plastiküberzug, da das originale Armaturenbrett darunter von der schönen Sonne gerissen ist.
Der Motor sprang wieder nicht an. Der Wagen hatte nun fast zwei Jahre gestanden und davon mindesten einen Winter draußen verbracht. Das hat der Technik nicht gut getan. Die Bremsen saßen wieder fest und der Motor war nur mit massivem Einsatz von Startpilot zu ein paar Zündungen zu bewegen. Ein echter Motorlauf war also erneut Fehlanzeige. Bei genauerer Betrachtung wurde auch der Amilack deutlich. Man kann es schon sprichwörtlich nennen, denn fast alle Amiautos sind so lieblos über geduscht. Gummiteile werden weder erneuert noch bei der Lackierung entfernt. Da „geben ja bekanntlich seliger denn nehmen“ ist, haben fast alle Anbauteile auch etwas von der schönen neuen Farbe abbekommen.
Im vorderen Kofferraum findet sich Rost unter der Dichtung, so wie eine Durchrostung unterhalb der Dichtfalz. Im hinteren Kofferraum ist Oberflächenrost an den Ecken und Kanten, so wie etwas größere Rostblasen welche den Erstlackeindruck trüben. Rostblasen finden sich auch am Scheibenrahmen zur Kotflügelkante.
Und nun zum Motorraum. Hier wurde doch geschweißt. Natürlich hat es den Batterieträger erwischt. Es ist ein Rostproblem, welches jeder 914er hat. Ausnahmen sind hier nicht nur selten, sondern fast ausgeschlossen, es sei denn man glaubt an einen 6er im Lotto.
Nun hatte der letzte TÜVer auch noch defekte Heizklappen angemahnt. Der Blick auf die Abgasanlage zeigte zudem einen komplett durchgerosteten Wärmetauscher und ein paar Brutzeleien am Auspuff die selbst den hart gesottenen Prüfer keine Plakette entlocken können.
Ein abschließender Lichttest zeigte, dass fast nichts elektrische funktionierte.

Das Auto ist also ein typischer Amiimport. Alles was die recht gute Blechsubstanz den Wagen so attraktiv werden lässt, wird von der hartnäckig verweigerten Pflege kaputt gemacht. Alle Gummiteile sind porös oder über lackiert. Die Elektrik ist mehrfach unfachgerecht geflickt und fehlerhaft. Die Abgasanlage ist durchgerostet und die Heizung kaputt. Ach hatte ich schon erwähnt, dass Amis NULL auf einen gepflegten Innenraum legen?

Es ist mir schleierhaft, wie ein halbwegs technisch begabter Mensch der Meinung sein kann, auf so einen Brocken eine TÜV-Abnahme oder gar H-Zulassung bekommen zu können. Wenn man so etwas anstrebt, dann sorgt man wenigsten für ein ansehnliches Äußeres und richtet die offensichtlichen Mängel. Eine 40cm lange Klebstoffnase an der Windschutzscheibe kann man entfernen. Ein Teppichsatz kostet nicht die Welt und kann der unbegabteste Handwerker auslegen. Kabel kann man hochbinden und Farbreste von Gummiteilen entfernen. Wenn nun noch die Abgasanlage erneuert wird und die komplett marode Einspritzanlage raus fliegt und auf altertümliche, aber bewährte und in Deutschland seiner Zeit werksseitig montierte Vergasertechnik umgerüstet wird, dann klappt es auch mit der Zulassung. Wer nun noch etwas Smartrepair in die augenscheinlichen Roststellen investiert und die zerrissenen Zitze austauscht oder neu beziehen lässt, bekommt auch eine ersehnte H-Zulassung.
NUR, das vermeintliche Schnäppchen mit dem rostfreien Amiimport ist damit zum Teufel.
Es steht dann jedoch ein technisch revidierter und optisch ansprechender 914er auf dem Hof, bei dem man sich über Rost an der Karosserie in den kommenden Jahren keine Sorgen machen muss, sofern man auch noch etwas Geld in eine Hohlraumkonservierung investiert.
Ach ja, und ein europäischer Tachometer mit Km-Anzeige statt Meilen wäre auch nicht schlecht.

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Der unglücklich Versuch auf EU-Blinker um zu rüsten
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Schweißversuche
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Sorry Jungs, so gibts keinen TÜV
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Wer Bauchfrei trägt, sollte auch Bauch frei sein, oder wie in diesem Fall wer mit Rostfrei wirbt....
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wenn man mit seiner eigenen Meinung zum Chef geht, und mit dessen Meinug zurück kommt.

gut, daß ich hier der Chäffe bin ;-)
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